Wenn man mich vor ein paar Jahren gefragt hätte, ob ich selbstständig arbeiten möchte, hätte ich sofort den Kopf geschüttelt. Die Selbstständigkeit schien für mich immer eine riskante und unsichere Lebensweise zu sein. In diesem Beitrag erfährst du, warum ich dennoch den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt habe.
Ich komme aus einer Familie von Selbstständigen: Mein Opa war selbstständig, mein Vater führte sein eigenes Unternehmen, und auch mein Bruder ist auf diesem Weg. Theoretisch hätte es mir also in die Wiege gelegt sein können, aber das war bis vor einigen Jahren nie mein Ziel. Genau die Einblicke, die ich im Familienkreis in die Selbstständigkeit bekam, hielten mich davon ab. Ich sah die finanziellen Unsicherheiten und die Risiken, die damit verbunden sind – mein Vater hatte einige Male Konkurs anmelden müssen, und auch mein Bruder erlebte hin und wieder finanzielle Höhen und Tiefen.
Ich selbst bin immer ein sicherheitsbedachter Mensch gewesen. Das Gehalt am Ende des Monats fest auf dem Konto zu haben, ohne sich Gedanken zu machen, wie die nächsten drei bis sechs Monate aussehen, war für mich wesentlich beruhigender. Natürlich kann es auch in einer Festanstellung zu unvorhergesehenen Jobverlusten kommen, aber in meiner Position fühlte ich mich sicher. Außerdem war mein Beruf als Webdesigner gefragt, und ich hatte stets das Gefühl, dass ich schnell einen neuen Job finden könnte, wenn es wirklich dazu kommen würde.
Nebenbei selbstständig gemacht
Doch irgendwann begann ich, etwas Abwechslung zu suchen. Dadurch, dass ich immer wieder mal Anfragen von Bekannten bekommen habe, ob ich Webseiten für sie erstellen könnte habe ich von Zeit zu Zeit in meiner Freizeit solche Aufträge angenommen. Also meldete ich neben meiner Festanstellung ein Gewerbe an und setzte als Freelancer kleine Webprojekte für Leute im Bekanntenkreis um. Es war praktisch, dass ich keine Akquise betreiben musste, da die Kunden direkt aus meinem Umfeld kamen. Da ich das nur nebenbei, nach der Arbeit und manchmal an den Wochenenden, machen konnte, waren meine Kapazitäten stark begrenzt. Vielleicht waren es zwei bis drei Projekte pro Jahr. Das Arbeiten an diesen Projekten aus unterschiedlichsten Branchen hat mir so ein wenig Abwechslung gebracht.
Doch das hatte einen Haken: Meine Freizeit ging dabei oft verloren, und ich musste einen großen Teil der Einnahmen in Form von Steuern abgeben. Wenn man in Österreich neben einer Vollzeitanstellung zusätzlich selbstständig tätig ist, rutscht man in eine recht hohe Steuerklasse und so musste ich für die paar Arbeiten nebenbei recht hohe Steuern zahlen. Das machte den gefühlten Aufwand für die Bezahlung oft unverhältnismäßig hoch. Trotz meiner Leidenschaft für das Webdesign und den Drang zur Weiterentwicklung, fühlte sich die Situation nicht ganz richtig an.
Fehlende Abwechslung
Nach über zehn Jahren in derselben Agentur fehlte mir schließlich die Abwechslung. Klar, ich hätte mir einfach einen neuen Job suchen können, aber ich war in meiner Anstellung zufrieden: Tolles Umfeld und Team, genug Freiheiten, freundschaftliches Verhältnis zu meinem Chef und gutes Gehalt. Dennoch fehlte mir etwas. Um neue Inputs zu bekommen, hatte ich sogar nebenbei ein Studium gemacht, doch auch das war nach zwei Jahren abgeschlossen, und ich spürte, dass ich etwas ändern musste.
Ich war also nach dem Studium wieder im selben Modus wie zuvor: Mir fehlt Abwechlsung und neuer Input. Zu der Zeit hatte ich mich dann bei anderen Agenturen beworben – evtl. ergibt sich ja was interessantes. Aber durch die Arbeit hatte ich da auch nicht richtig den Fokus auf den Jobwechsel. Irgendwann dachte ich: Warum nicht einfach kündigen und dann in Ruhe nach einem neuen Job suchen? Diese Idee erschien mir plötzlich sinnvoller, als ständig nach Feierabend auf Stellensuche zu gehen. Die Kündigung nach über zehn Jahren auszusprechen, war nicht einfach, doch mein Chef nahm es verständnisvoll auf und bot mir sogar an, jederzeit zurückzukommen – das beruhigte zumindest mein Sicherheitsdenken.
Der spontane Anstoß: Eine Workation in Portugal
Nachdem meine Kündigung ausgesprochen war, entschied ich mich, eine kleine Auszeit zu nehmen. Spontan buchte ich eine Coworking-Workation in Portugal. Zusammen mit einer Gruppe von anderen Selbstständigen und digitalen Nomaden verbrachte ich zwei Wochen an der Algarve – eine der besten Entscheidungen meines Lebens. Wir arbeiteten tagsüber zusammen in unserer gemieteten Villa und erkundeten abends die Umgebung. Es war eine inspirierende Zeit, und ich konnte meine Freelance-Projekte von dort aus erledigen. Neue Aufträge kamen dann plötzlich ganz ganz ungeplant während dieser Zeit, und ich stellte fest, dass dieser ortsunabhängige Lebensstil perfekt zu mir passte. Was gibt’s Schöneres?
Diese Erfahrung ließ mich die Frage stellen: Warum war ich all die Jahre an einem festen Ort geblieben, obwohl mein Beruf wie dafür gemacht ist, von überall aus zu arbeiten? Ich wollte diesen Lifestyle weiterführen. Das war der Moment, in dem ich beschloss, den Schritt in die volle Selbstständigkeit zu wagen.
Die Vorbereitung auf die Vollzeitselbstständigkeit
Nach meiner Rückkehr nach Wien begann ich, meine Selbstständigkeit ernsthaft zu planen. Die Gedanken an einen anderen Arbeitgeber waren komplett verschwunden. Die Corona-Pandemie hatte die Auftragslage zwar ungewiss gemacht, doch ich wollte auf Nummer sicher gehen. Also meldete ich mich zum Unternehmensgründungsprogramm an, um mehr über Themen wie Buchhaltung, Zeitmanagement und Marketing zu lernen. Ein wertvoller Mix an Wissen, der mir den Start erleichtern sollte.
Nochmal den digital nomad lifestyle genießen
Bevor’s dann richtig mit der Vollzeit-Selbstständigkeit losging, habe ich mir nochmal eine kleine workation – diesmal im Alleingang – in Griechenland gegönnt und habe somit von dort aus für meine damaligen Freelance-Kunden und an der Planung meiner Selbstständigkeit gearbeitet. So war ich ein paar Wochen in Athen, Mykonos und Kreta unterwegs um nochmal den Spirit der Ortsunabhängigkeit zu spüren – was mich wieder in meiner Entscheidung gestärkt hat.
Jetzt geht’s so richtig los
Am 1.1. 2022 war es schließlich so weit: Mein erster Tag als Vollzeit-Selbstständiger. Ich hatte jahrelang nebenbei als Freelancer gearbeitet, aber Vollzeit in die Selbstständigkeit zu gehen, war eine ganz andere Nummer. Das erste Jahr verlief erstaunlich gut, fast zu gut, denn gegen Ende des Jahres kam ich sogar ordentlich an meine Grenzen. Die Aufträge kamen laufend wie von selbst. Ich hatte keine besondere Akquisemethode, aber mir wichtig, dass ich in Form von meiner Webseite und etwas social media Präsenz im Gedächtnis bleibe und so kamen nach und nach – vor allem aber aus Empfehlungen in meinem Netzwerk und von Bestandskunden die Aufträge rein.
Vom Freiheitsträumer, der um die Welt reist, wurde ich zum Unternehmer, der 60+ Stunden pro Woche im Büro zu hause arbeitet. Das war definitiv nicht mein Ziel, die eigene Freizeit so runterzuschrauben, aber dafür war es lehrreich, um im nächsten Jahr meine Prozesse zu optimieren und auch diverse Anfragen abzusagen und mich auf einen Zweig zu konzentrieren statt alles anzunehmen.
Das Reisen war daher im ersten Jahr nicht wirklich drin. War’s das nun mit dem Gedanken eines digital nomad lifestyles? Nein, ganz sicher nicht. Das erste Jahr in der Selbstständigkeit hat mir einfach mal gezeigt, wie’s läuft und war dadurch sehr lehrreich, um die Eckpunkte für die Weiterentwicklung des Unternehmens zu setzen.
Durch die hohe Auftragslage blieb im ersten Jahr nicht viel Zeit für’s Reisen, daher hab das noch im Dezember (zwei Wochen Workation in Marokko) nachgeholt, um nach dem Jahr an hustlen im Büro auch wieder den Freiheitsgedanken und die Vorteile der Flexibilität in der Selbstständigkeit zu spüren.
Rückblick
Rückblickend kann ich sagen, dass ich das Leben als Vollzeit-Selbstständiger trotz aller Herausforderungen genieße. Es gibt viele Aufgaben, die zusätzlich zur eigentlichen Arbeit, die man zum Beispiel in der Anstellung nicht hat, anfallen – Buchhaltung, Verwaltung, Akquise –, aber ich wusste, worauf ich mich einlasse. Es war definitiv die richtige Entscheidung.
Heute genieße ich die Vorteile der Selbstständigkeit: die flexible Zeiteinteilung, die Freiheit, von überall zu arbeiten, und die Tatsache, dass ich für mich und mein Business arbeite, anstatt für einen Chef. Klar, es gibt auch Nachteile im Vergleich zur Festanstellung, aber in Summe überwiegen für mich die Vorteile. Und aus aktueller Sicht kann ich mir nicht mehr vorstellen, jemals wieder in ein Angestelltenverhältnis zurückzukehren. Was ich auf jeden Fall festgestellt habe: Es ist ein ständiger Prozess. Was letztes Jahr gut lief und funktioniert, bedeutet nicht, dass das automatisch auch dieses Jahr läuft und somit muss man sein Business und sich – vor allem im Webdesign Umfeld – ständig weiterentwickeln.
Ich hoffe, ich konnte dir durch meine Erfahrung am Weg in die Selbstständigkeit einen guten Eindruck geben. Wenn du Fragen dazu hast, schreib einfach unten einen Kommentar.